13.10.2022 - 08.01.2023

SCHWEIZER SCHEIBENRISSE

VON DER RENAISSANCE BIS ZUM FRÜHBAROCK ǀ DER MÜNCHNER BESTAND

Die Ausstellung

Die Staatliche Graphische Sammlung München verwahrt einen Sonderbestand von rund 300 Schweizer Scheibenrissen. Etwa 150 Blatt gehören zum ältesten Bestand des Kabinetts. Sie kommen aus der Mannheimer Sammlung von Kurfürst Carl Theodor und entstammen wohl einem Basler Werkstattbestand. Durch Überweisungen aus dem Bayerischen Nationalmuseum von 1921 kamen auch Beispiele der Innerschweiz hinzu. Spitzenwerke der Holbein-Werkstatt, von Tobias Stimmer, Jost Amman, Christoph Murer und vielen anderen belegen hochrangig und facettenreich diese eigenwillige Sparte Schweizer Kunst.

LEUCHTREKLAMEN DES MITTELALTERS

Auch in nachmittelalterlicher Zeit war Glas teuer. Baute man ein Haus oder wollte ein Wirt die Gaststube renovieren, bat er die Stadt, seine Zunft, Freunde um Unterstützung für ein verglastes Fenster. Wurde dem Gesuch entsprochen, verkündet dies in leuchtenden Farben eine in das Butzenfenster eingelassene Glasmalerei mit dem Wappen des Stifters, kombiniert mit namentlicher Nennung seiner Ämter und Funktionen, verknüpft mit moralisierenden Beischriften – eine erste Form sinnenkitzelnder „Leuchtreklame“.

Jost Amman, Zürich 1539 – 1591 Nürnberg
Scheibenriss für das Wappen eines Müllers und seiner Frau, die einen Willkommenstrunk bringt, oben die Mühle
Feder in Schwarz; 352 x 241 mm
© Staatliche Graphische Sammlung München

Das Münchner Kabinett besitzt nach der Kunsthalle Karlsruhe, mit dem weltweit größten Bestand an Rissen, in Deutschland die wichtigste Sammlung. Es handelt sich um ein Genre, das in der Schweizer, Elsässer und süddeutschen Landschaft einzigartig ist. Neben der Qualität der Werke geht es in der Ausstellung wie im Katalog um eine kulturhistorische Verortung der kunsthandwerklichen Zeichnungen.

Ludwig Ringler (um 1535 – 1605)
Scheibenriss für eine Rundscheibe mit Gottvater und den weltlichen Herrschern, aus der dreiteiligen Folge „VOCATIO DIVINA“, Die Bestimmung der Menschen auf der Welt
Feder in Grauschwarz, violett laviert und Feder in Schwarz
© Staatliche Graphische Sammlung München

REPRÄSENTATION UND BÜHNE

Bis zum Beginn der Aufklärung hielt sich die Schweizer Sitte, „Kabinettscheiben“ zu verschenken. Bald ging es nicht mehr um den finanziellen Aspekt, sondern um Repräsentation, darum, Vernetzungen und gegenseitige Wertschätzung zu demonstrieren. Jeder schenkte und wollte beschenkt werden – Äbte, Klöster, Stadtregimente, Kantone, Zünfte, Vögte, aber auch Wirte, Bäcker oder Metzger.

Dass in der Schweiz Wappenfreiheit herrschte, sich jeder sein eigenes Wappen zulegen konnte, hat das Phänomen nachhaltig am Leben gehalten. Metzger zeigen in ihrem Schild etwa einen Stierkopf, Bäcker eine Brezel, Müller ein Mühlrad. Und es blieb keineswegs beim Wappen allein. In Zürich etwa traten die Wappen klein an den Rand. Wichtig wurde das Mittelbild. Dort waren theatralisch inszenierte Episoden aus Altem und Neuem Testament zu sehen, Allegorien, aber auch Begebenheiten aus dem Alltag, was dieses Genre auch kulturhistorisch so bedeutsam macht.

Im arbeitsteilig organisierten Werkprozess bekamen Glasmaler zumeist Entwürfe für die Scheiben von spezialisierten Zeichnern, sog. „Scheibenrisse“: Es handelt sich um genaue Vorlagen, die in identischem Maßstab umzusetzen waren.

Dr. Achim Riether
Referat Deutsche Kunst 15. – 18. Jahrhundert
Staatliche Graphische Sammlung München

Werke zur Ausstellung

Hans Brand, Basel 1552 – 1557/78 Basel
Scheibenriss mit unbekanntem Wappen und vornehmer Dame als Schildhalterin, im Oberlicht eine Wirtshausszene
Feder in Schwarz, braun laviert, 390 x 305 mm
Daniel Lindtmayer d. J. (1552 – 1603)
Scheibenriss mit den Wappen Merian und Irmi (Basel), im Oberlicht "Die Geschichte des Propheten Jonas" und "Die Auferstehung Christi"
Feder in Grau bis Schwarzgrau, Gelbbraun und Dunkelbraun, rot laviert
Matthäus Merian d. Ä., Basel 1593 – 1650 Bad Schwalbach
Scheibenriss mit Allegorie der Geometrie und leeren Wappenschilden
1607
Feder in Schwarz, grau laviert, 293 x 192 mm
Christoph Murer, Zürich 1558 – 1614 Winterthur
Scheibenriss mit dem Abschied des Verlorenen Sohns, zugleich Allegorie des Frühlings
1598
Feder in Schwarz, grau laviert, 298 x 193 mm
Heute geöffnet bis 18:00 Uhr
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